Anja Pollrich und René Messig haben Einiges gemein. Vor allem die Tatsache, dass sie sich beruflich behaupten mussten – und zwar mehr als andere.
Jahrelang hangelten sie sich von einer Förderstelle zur nächsten. Dabei war ihr Wunsch der vieler Anderer: ein Job – fest und unbefristet. Jetzt haben sie ihr berufliches Glück gefunden – als Alltagsbegleiter beim ASB in Chemnitz – trotz körperlicher Handycaps.
Anja Pollrich ist gelernte Bürokauffrau und hat viele Jahre in ihrem Beruf gearbeitet – meist jedoch befristet. Die meisten Arbeitgeber stellten sie nur ein, wenn es Förderungen von Ämtern gab. Liefen diese aus, war sie ihre Stelle wieder los. Der Hintergrund: Anja Pollrich benötigt durch eine Gehbeeinträchtigung einen Rollstuhl.
Aus diesem Kreislauf wollte die Chemnitzerin ausbrechen und stieß auf eine Annonce des ASB – „Alltagsbegleiter gesucht“. Der Gedanke an diesen Job gefiel Frau Pollrich, hatte sie doch in der Vergangenheit schon einmal im Büro einer Pflegeeinrichtung gearbeitet. „Ich arbeite gern im sozialen Bereich, mit Menschen“, erzählt Anja Pollrich. „Ich hatte mich auf die Anzeige beim ASB beworben und bin ziemlich direkt zum Vorstellungsgespräch im Altenpflegeheim Rembrandtstraße eingeladen worden.“
Beim Gespräch schien die Chemie zwischen den Einrichtungsleitern und der gelernten Bürokauffrau zu stimmen. Kurz darauf begann für Anja Pollrich ein 14-tägiges Praktikum im Altenpflegeheim als Alltagsbegleiterin. „Ich habe den Bewohnern vorgelesen, Brett- und Kartenspiele gespielt, oder sie beim Essen unterstützt“, berichtet Anja Pollrich über den für sie neuen Arbeitsalltag. Und war ihr der Rollstuhl ein Hindernis? „Nein, da gab es kein Problem“, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Die siebenwöchige Pflichtweiterbildung zur Alltagsgestalterin folgte direkt im Anschluss an das Praktikum und auch die Zusage zur Übernahme in ein Anstellungsverhältnis erhielt sie noch vorab. „Das hätte besser nicht laufen
können“, freut sich Anja Pollrich.
Ähnlich erlebte es auch René Messig. „Ich fühle mich endlich beruflich angekommen“, stellt der gebürtige Amtsberger zufrieden fest. Seit Anfang August 2018 hat René Messig eine richtige Stelle als Alltagsgestallter in der ASB Altenpflege Einrichtung an der Rembrandtstraße. „Vorher
habe ich schon auf dem Bau oder als Fahrradmonteur gearbeitet, dann las ich die Stellenanzeige zum Alltagsbegleiter.“, erzählt René. Auch er hat ein Handycap, welches oftmals einer Vollzeitstelle im Wege stand. Mit seiner Seh- und Gehbeeinträchtigung darf er zum Beispiel kein Auto fahren. „Bei meiner Arbeit mit den Bewohnern im Haus, komme ich damit gut zurecht.“ Wie Anja Pollrich, kümmert auch er sich um die oftmals demenzkranken Bewohner. Ob Gesellschaftsspiele, Esstraining, Menüplanung oder einfach mal ein offenes Ohr haben – René Messig ist für die Bewohner da. „Ich habe das Gefühl, dass die Bewohner gut mit mir zurechtkommen, vielleicht bin ich ihnen näher, da ich auch eine Beeinträchtigung habe“, sinniert
er für einen Moment. Besonders freut er sich, dass der ASB ihm nicht nur die Stelle angeboten, sondern auch die Kosten für die Weiterbildung übernommen hat.
Auch Lars Zeißig ist mit den beiden neuen Mitarbeitern zufrieden. Er ist Bereichsleiter im Altenpflegeheim auf der Rembrandtstraße und ebenfalls zuständig für die Planung des Tagesablaufs auf den Stationen. „Mit Anja und René haben wir zwei vollwertige, zuverlässige Mitarbeiter an uns binden können.“, freut er sich. Um neue Mitarbeiter zu bekommen, muss sich Lars Zeißig etwas einfallen lassen. „Der Markt an motivierten Mitarbeitern scheint momentan quasi leer gefegt“, gibt er zu Protokoll.
Er unterstützt die beiden bei ihrem Start in der Einrichtung. „Von den Beeinträchtigungen würden sie gar nichts merken, wenn man sie nicht sehen würde“, erzählt Lars Zeißig und betont die gute Erfahrung, die er mit den neuen Mitarbeitern gemacht hat. „Warum sollten sie also ein anderes
Anstellungsverhältnis bekommen als Menschen ohne Behinderungen?“ Auch außerhalb seiner Einrichtung wirbt Lars Zeißig für die Arbeit mit alten Menschen. An 12 Kooperationsschulen hält er Vorträge vor Sieben- bis Neuntklässlern und lädt sie zum Besuch in die Rembrandtstraße ein. „Ich möchte die Schüler für einen sozialen Beruf sensibilisieren und auch Vorbehalte abbauen.“
Dabei helfen auch Anja Pollrich und René Messig. Wenn die Schüler dann bis zu fünf Tage in die Einrichtung kommen, um mitzuhelfen, geben auch die beiden neuen Mitarbeiter ihre positiven Erfahrungen an die Schüler weiter.
Ihre Erfahrung zeigt: der Job macht Spaß.